Bericht über die Einsatzgruppe im Saarpfalz-Kreis

5 Jahre nach Beginn der vorbereitenden Arbeiten zur Gründung einer Einsatzgruppe „Notfallseelsorge im Saarpfalz-Kreis“ führte ein Mitarbeiter der Rheinpfalz für die neue Regionalbeilage „Saarpfalz-Rundschau“ ein Interview mit einem der Sprecher der Einsatzgruppe und veröffentliche folgenden Artikel: 

Artikel aus der Rheinpfalz, Saarpfalz-Rundschau, vom 17.12.08 (mit Genehmigung des Autors: Andreas Ganter)

Ersthelfer für die Seele

Saarpfalz: Per SMS werden die 16 Notfallseelsorger im Saarpfalz-Kreis benachrichtigt, um Unfall- oder Verbrechensopfern, Angehörigen und Einsatzkräften zur Seite zu stehen. Die Zahl der Alarmierungen steigt: Mindestens 50 werden es bis Jahresende sein. Die Helfer verarbeiten ihre Erlebnisse auf unterschiedliche Weise.

Verkehrsunfälle, Verbrechen, Brände: Wann immer Polizei, Feuerwehr oder Rettungsdienste während ihrer Einsätze erkennen, dass Menschen seelischen Beistand brauchen, sind die Notfallseelsorger im Saarpfalz-Kreis zur Stelle. Sie spenden Trost, hören zu, sind einfach nur da. Das tut die inzwischen auf 16 Ehrenamtliche angewachsene Einsatzgruppe der Notfallseelsorger im Saarpfalz-Kreis seit 2004. „Darunter befinden sich sowohl evangelische und katholische Pfarrer, als auch Pastoralreferenten und eine Psychologin‘, erzählt Olaf Riebes. Riebes ist Pastoralreferent in den katholischen Gemeinden Waldmohr und Breitenbach und einer der Sprecher der Einsatzgruppe Notfallseelsorge.

Anfangs, erinnert sich Riebes, seien die Notfallseelsorger von der Rettungsleitstelle auf dem Winterberg in Saarbrücken koordiniert und angefordert worden. Dieses System hatte Tücken: „Oft waren mehrere Anrufe notwendig, um einen Notfallseelsorger zu erreichen, der den Einsatz übernehmen konnte.“ Denn die Mitglieder der Einsatzgruppe arbeiten hauptberuflich in anderen Bereichen – sie sitzen keineswegs nur zu Hause und warten, bis etwas passiert. Hilfe kam in Form der SMS: Seit 2006 bekommen im Falle eines Falles alle Teammitglieder gleichzeitig eine Kurznachricht auf ihr Mobiltelefon. Wer den Einsatz übernehmen kann, wendet sich dann direkt an die Leitstelle.

In welchen Fällen werden eigentlich Notfallseelsorger angefordert? Die Einsatzmöglichkeiten seien vielfältig, informiert Riebes. Bei einem Wohnungsbrand gelte es beispielsweise, die unverletzten Hausbewohner zu versorgen und ihnen zur Seite zu stehen. Gleichzeitig kümmere man sich aber auch um die Einsatzkräfte, denen eventuell die Bilder eines Unglücks nicht mehr aus dem Kopf gingen. „Bei einem Verkehrsunfall betreuen wir unverletzte Opfer und Zeugen oder überbringen gemeinsam mit den Polizeibeamten die Todesnachricht“, berichtet Riebes weiter.

Auch die Notfallseelsorger müssen die Erlebnisse am Einsatzort verarbeiten.

Prinzipiell bleiben die Helfer in den markanten violetten Westen so lange bei den Betroffenen, bis sich Angehörige um sie kümmern können. Die Polizei habe oftmals nicht die Zeit, so lange zu warten, erklärt Riebes, schließlich müssten die Beamten meist weiter zu anderen Einsätzen.

Auch den Seelsorgern gehen die aufwühlenden Erlebnisse am Einsatzort mitunter sehr nahe. Riebes erinnert sich lebhaft an viele seiner Einsätze. Oftmals gehe es sehr emotional und teilweise auch lautstark zu, wenn er etwa mit der Polizei eine Todesnachricht überbringe. „Eine Frau hat einmal so hysterisch geschrien, dass ich Angst hatte, sie bricht zusammen, nachdem ich ihr die Todesnachricht eines Angehörigen überbracht hatte‘, berichtet der Notfallseelsorger und wirkt nachdenklich dabei.

Wichtig, um mit solchen Erlebnissen fertig zu werden, seien kollegiale Gespräche und Beratungen. Darüber hinaus spricht der erfahrene Notfallseelsorger auch mit seiner Frau über das Erlebte. Und: „Ich schreibe nach jedem Einsatz einen Bericht. Mir das Erlebte von der Seele zu schreiben, ist mit sehr wichtig‘, nennt Riebes ein anderes Mittel, um die Erlebnisse zu verarbeiten.

Die Zahl der Einsätze hat sich laut Riebes Statistik in den letzten Jahren vervielfältigt. Aus ihr geht hervor, dass bis 2006 die Notfallseelsorger zwischen zehn und 20 Mal pro Jahr angefordert wurden. 2007 rückten sie bereits bei 40 Einsätzen aus. „In diesem Jahr hatten wir schon 49 Einsätze“, teilt der Sprecher der Gruppe mit. Er rechnet fest damit, dass es bis Jahresende noch über 50 Einsätze werden.

Die steigende Anzahl der Einsätze seiner Gruppe führt Olaf Riebes einerseits auf die SMS-Alarmierung zurück. Andererseits ist er überzeugt, dass sich die Verfügbarkeit der Notfallseelsorge mittlerweile auch bei den Einsatzkräften von Polizei, Rettungsdienst und Feuerwehr herumgesprochen habe und ihre Arbeit zusehends mehr geschätzt werde.

Eine weitere Statistik gibt Aufschluss über die Einsatzzeiten der Gruppe. Mehr als die Hälfte der diesjährigen Alarmierungen fielen zwischen 12 und 24 Uhr.

Neben den Notfalleinsätzen führen die Teammitglieder, so sagt Riebes, auch Informationsveranstaltungen und Schulungen für Einsatzkräfte von Feuerwehr und Rettungsdienst durch, um sie auf seelisch belastende Einsätze und den besseren Umgang mit Einsatz-Stress vorzubereiten. (gana)

Zur Sache: Notfallseelsorge

Wer Notfallseelsorger werden will, der sollte, so sagt Olaf Riebes, „schon längere Erfahrung“ in der Seelsorge gesammelt haben. Darüber hinaus steht vor Beginn der Tätigkeit ein zweitägiger „Grundkurs Notfallseelsorge“ an. Im Anschluss daran absolvieren viele Notfallseelsorger weitere Aus- und Fortbildungen. Unter anderem beschäftigen sie sich in diesen Kursen mit dem Tod von Kindern, dem Umgang mit muslimischen Hilfsbedürftigen, der Übermittlung einer Todesnachricht oder dem Umgang mit suizidgefährdeten Personen.

Nach ihrem Verständnis leisten die Notfallseelsorger unabhängig von Glauben und Konfession „Erste Hilfe für die Seele“ in Notfällen und schweren Krisensituationen. Die speziell dafür ausgebildeten Notfallseelsorger versuchen Menschen zu begleiten, die durch einen Unfall, ein traumatisches Erlebnis oder den plötzlichen Verlust eines Angehörigen von einer Minute auf die andere in ihrer Lebensgewissheit erschüttert sind.

Zur Notfallseelsorge gehört die Betreuung von Hinterbliebenen im häuslichen Bereich bei dramatischen Sterbefällen genauso wie die Übermittlung einer Todesnachricht in Zusammenarbeit mit der Polizei und anderen Einsatzkräften, aber auch die Seelsorge durch Krisenintervention bei akuter Selbstmordgefahr.

Daneben gilt es, die Einsatzkräfte bei schweren Unfällen zu unterstützen. Vereinzelt helfen die Seelsorger auch traumatisierten Rettungskräften nach belastenden Einsätzen. Für Letztere gibt es auch speziell ausgebildete SBE-Teams. SBE steht für „Stressbearbeitung nach belastenden Einsätzen“.

Zur Ausrüstung der Notfallseelsorger gehören eine violette Weste, ein entsprechend beschriftetes Schild fürs Auto, Telefonbuch, Karteikärtchen, eine Checkliste für einen Großeinsatz und sogar Plüschtiere.

Schon bevor die aktuelle Einsatzgruppe vor vier Jahren ihren Dienst aufnahm, gab es Notfallseelsorger im Saarpfalz-Kreis. „Damals standen einzelne Pfarrer auf Anfrage zur Verfügung oder betreuten Feuerwehrangehörige nach schwierigen Einsätzen“, erinnert sich Olaf Riebes, dass schon damals die Betroffenen nicht völlig allein standen. (gana)

 

Anmerkung:
Die Ausbildung der Notfallseelsorger ist u.a. davon abhängig, wo sie absolviert wird und ob hauptamtliche Seelsorger sie als Zusatzausbildung durchlaufen. Für das Saarland wurde eine neue Konzeption erstellt, die auf die Bedürfnisse der „Nicht-Theologen “ zugeschnitten ist und die Ausbildung in mehreren Schritten während eines Jahres zu einem ersten Abschluss bringt. Fort- und Weiterbildungen sichern anschließend die qualitative Arbeit der Einsatzgruppen.
Nähere Informationen erhalten Interessierte bei Christoph Fleck, Diplom Psychologe, Ausbildungsleiter und Sachgebietsleiter für die Vor- & Nachsorge von Einsatzkräften (VNE) über christoph.fleck[at]psu-saarland.de