Beistand in Extremsituationen (Artikel aus der Saarbrücker Zeitung, mit Genehmigung des Autors)

Erschienen: 16.02.2011 / SZR / SBM_MAN / BREG_3 / Ressort: Region / Textname: SBM_MAN.HP.BREG_3.ART1 / Verfasser: SZ-Mitarbeiter Benjamin Rannenberg

Die Mitarbeiter der Notfallseelsorger-Teams geben Betroffenen in der Not halt

Die ehrenamtlichen Notfallseelsorger begleiten Polizisten beim Überbringen von Todesnachrichten oder stehen Angehörigen bei erfolgloser Wiederbelebung bei. Sie sind rund um die Uhr im Einsatz.

Von SZ-Mitarbeiter Benjamin Rannenberg

Saarbrücken. Stunden vergingen bis die Frau richtig begriff, was passiert war: Ihr Partner, der regungslos im Bett lag, kam nicht wieder ins Leben zurück. In Augenblicken wie diesen, in denen ein Mensch zusammenzubrechen droht, sind Notfallseelsorger da und halten den Schmerz, den Schock und auch die Fassungslosigkeit aus. „Ich weiß, dass ich stark bleiben muss. Menschen dürfen zusammenbrechen, aber ich muss der ruhende Pol sein“, sagt Hans-Lothar Hölscher über die Rolle des Notfallseelsorgers. Er leitet das Team in Saarbrücken und ist neben seinem Beruf als evangelischer Gemeindepfarrer in Quierschied ehrenamtlicher Mitarbeiter der landesweiten Notfallseelsorge.

Unter den Ehrenamtlichen sind etwa ein Drittel hauptberuflich angestellte Theologen in der rheinischen und pfälzischen Landeskirche und in den Bistümern Trier und Speyer. Die übrigen zwei Drittel arbeiten unter anderem als Psychologe, Sozialpädagoge und in der IT-Branche.

Über Funkmeldeempfänger oder per Rund-SMS auf’s Handy empfangen die Notfallseelsorger ihr „Signal“. Im Saarland fordern Feuerwehr, Rettungsdienste und Polizei ihre Hilfe an. Sieben Tage in der Woche, zu jeder Tages- und Nachtzeit. „Wenn wir per Funkmeldeempfänger benachrichtigt werden, dann erfahren wir was passiert ist, zum Beispiel dass sich jemand das Leben genommen hat, wo wir hinfahren müssen und wer uns angefordert hat“, sagt Birgit Iversen-Hellkamp, Notfallseelsorgerin im Regionalverbands-Team und hauptamtlich Pfarrerin in der evangelischen Kirchengemeinde St. Arnual. Dann fahren sie zum Einsatzort – die violette Einsatzjacke im Gepäck.

An der Einsatzstelle angekommen, gibt es zuerst ein kurzes Übergabe-Gespräch, vorausgesetzt die Notfallseelsorger treffen noch Rettungskräfte, Polizeibeamte und Notarzt an. Danach beginnt die „Seelsorge in Extremsituationen“. Im Jahr 2009 hatten die Notfallseelsorger im Saarland insgesamt 414 Einsätze, ein Jahr zuvor waren es 432. Aktuellere Zahlen zu den Einsätzen im vergangenen Jahr liegen noch nicht vor. Zumeist haben es die saarländischen Notfallseelsorger bei ihren Einsätzen mit erfolgloser Wiederbelebung zu tun. Oftmals begleiten sie Polizisten beim Überbringen von Todesnachrichten und betreuen Angehörige von Menschen, die sich das Leben genommen haben. Für den Fall, dass ein Mensch in einer Einsatzsituation akut suizidgefährdet ist, setzen sich die Notfallseelsorger mit einem Arzt in Verbindung. „Wir sind ja keine ausgebildeten Psychiater und können auch keine Verantwortung übernehmen, falls sich jemand etwas antut“, erläutert Karin Strempel, die im Regionalverbands-Team mitarbeitet und als Gemeindereferentin im Bistum Trier angestellt ist.

Drei bis vier Stunden kann ein Einsatz dauern, etwa im Privatwohnraum, an Unfallstellen wie auf der B51 oder in Evakuierungsgebieten – wie jüngst nach einem Bombenfund in Saarbrücken. „Wir lassen niemanden nach unseren Einsätzen alleine zurück. Wir versuchen Verwandte oder Nachbarn zu benachrichtigen, die helfen den Betroffenen aufzufangen“, sagt Strempel. Über ihr ehrenamtliches Engagement in der Notfallseelsorge sagt sie: „Meine Motivation stammt aus meinem christlichen Glauben. “ Olaf Riebes, Notfallseelsorger im Saarpfalz-Kreis und Pastoralreferent im Bistum Speyer hält die Notfallseelsorge für einen notwendigen Dienst. „Ich traue mir die Notfallseelsorge zu, ich kann das aushalten. Lieber fahre ich einmal zu viel zu einem Einsatz als einmal zu wenig“. www.psnv-saarland.de

HINTERGRUND

Im Saarland gibt es sechs Notfallseelsorger-Teams. Pro Landkreis ist eine Gruppe zuständig. Feuerwehr, Polizei und Rettungsdienste können die Teams anfordern. Der ökumenische überkonfessionelle Fachdienst besteht bereits seit 1996. Das Saarland ist nach eigenen Angaben das erste Bundesland, das den Fachdienst für Betroffene und für Einsatzkräfte gesetzlich festgeschrieben hat. bera

Nach oben scrollen